Microgrids – zentrale Elemente der Energiewende.

Microgrids – alte Sache neu aufgesetzt.

Microgrids sind in der Energiewende zu einem wichtigen Faktor geworden. „Inselnetze“, wie sie ursprünglich genannt wurden, sind allerdings eine alte Sache: Stromnetze, die aus geographischen, technischen, politischen, strategischen oder finanziellen Gründen, nicht an ein überregionales Netz angeschlossen sind. Bis vor Kurzem galt das beispielsweise noch für alle Kanaren Inseln. Erst 2018 wurden Lanzarote und Fuerteventura, als einzige der sieben Hauptinseln, über ein 132 KV Seekabel zusammengeschlossen, was die Netzqualität deutlich erhöhte. Das bekannteste deutsche Inselnetz ist wohl das Bewag Netz, das bis 1994 Westberlin mit Strom versorgte.


Heute werden unter Inselnetzen Community, C&I (Commercial & Industrial), Military und Campus Microgrids verstanden, wobei lediglich die beiden letzteren echte Inselnetze darstellen. Aus Sicherheitsgründen werden sie bewusst „off the grid“ betrieben. Alle anderen Microgrids sind typischer Weise über einen PCP (Point of Common Coupling) an ein Verbundnetz angeschlossen. Die Idee dieser Netze ist eine andere: Strom aus regenerativer Energie so weit wie möglich selbst zu produzieren und diese lokal zu konsumieren. Mögliche Überschüsse sollen in ein Verbundnetz eingespeist werden bzw. Regelleistung aus diesem, so notwendig, bezogen werden. Neben der möglichst großen CO2 Neutralität des Konsums, steht auch der Gedanke, als „Prosumer“ aufzutreten, also nicht nur bewusst zu konsumieren, sondern auch „grüne Energie“ zu liefern.


Welche Bedeutung solche Community-Microgrids in Zukunft haben könnten, zeigen folgende Zahlen: 50% der Menschen leben in Städten, die zwar nur 2% der Fläche des Planeten beanspruchen, aber 75% der Energie verbrauchen und für 80% der globalen CO2 Emissionen verantwortlich sind. 2019 identifizierte Navigant Research weltweit 4.475 Microgrids in Betrieb oder Planung mit 27 GW installierter Leistung. In Deutschland setzen bereits über 1.000 Kommunen auf lokal erzeugten Strom. Abgesehen vom CO2 Gedanken, arbeiten Microgrids bei heutiger Technologie per se nicht profitabel. Profitabel werden sie im Bereich C&I Grids, wenn KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) in die Netzkonzepte integriert wird. Der wahre Wert von Community-Microgrids wird sich erst in der Smart City zeigen, denn sie sind nur ein Baustein eines großen Ganzen und in diesem sind sie zu bewerten.


Die drei wesentlichen Herausforderungen moderner Inselnetze werden Stabilität, bidirektionaler Stromfluss und Daten sein. Daten in besonderem Maße: Zur Sekundärregelung des Netzes, zur Integration über ein PCP in einen Bilanzkreis bzw. eine Bilanzgruppe und in Bezug auf den Handel, der sich in einer neuen Komplexität darstellt, da auch P2P (Peer-to-Peer) Handel ermöglicht werden muss.

Regelleistung – die große Herausforderung für Microgrids.

Die große Herausforderung echter Microgrids, die nicht über einen PCP mit einem Verbundnetz gekoppelt sind, ist das Thema Regelleistung, die auf Sekundärebene stattfindet. Je kleiner ein elektrisches Netz ist, desto relativ größer ist die benötigte Regelleistung, also jene Leistung, die vorgehalten werden muss, um das Netz stabil zu halten. Klassische Inselnetze lösen dies durch ein System aus Assets, die nacheinander aufgeschaltet werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist das ENDESA (Empresa Nacional de Electricidad Sociedad Anónima) Kraftwerk der Kanareninsel Fuerteventura mit einer Nennleistung von 185 MW, bestehend aus 12 Gruppen zusammengesetzt aus Dieselgeneratoren und Gasturbinen. Die Grundlast liefern MAN B&W Dieselaggregate mit hohem Wirkungsgrad, die nach und nach aufgeschaltet werden, wenn die Drehzahlregelung ausgereizt ist. In Spitzen werden Gasturbinen zugeschaltet, die jedoch nur in einer KWK einen gesamtheitlich sinnvollen Energiebeitrag liefern. All diesen Lösungen ist eines gemein: Sie stellen eine suboptimale Stromqualität in Bezug auf eine stabile Frequenz bereit. Dies gilt für das Netz von Fuerteventura ebenso wie für das Inselnetz von Singapore. Praktische Auswirkungen beispielsweise: LED Lampensysteme haben in diesen Netzen eine rechte kurze Lebensdauer.


Anders sieht es bei den Microgrids aus, die heute im Fokus stehen: Inselnetze, die primär den Zweck haben, erneuerbare Energieträger in Strom zu wandeln. Abgesehen von Blockheizkraftwerken auf Basis regenerativer Brennstoffe sowie kleineren Wasserkraftwerken, liefern Photovoltaik und Windkraftwerke stark schwankende Strommengen, die noch dazu schwer zu prognostizieren sind.    Aus diesem Grund benötigen diese Microgrids, so sie ihre Regelleistung nicht ausschließlich über eine PCP aus einem Verbundnetz beziehen wollen, Energiespeicher.

Energiespeicher – zentrales Thema in Microgrids.

Damit Microgrids nicht permanent in den ‚Connected Mode‘ gehen müssen, benötigen sie Energiespeicher. Das Green Energy Projekt „Gorona del Viento“ auf El Hierro, bedient sich eines Pumpspeicherkraftwerkes. Eine Lösung, die für die meisten Microgrids kaum in Frage kommen werden. Der Großteil setzt vornehmlich Akkumulatoren, auch Druckluft, Schwungräder oder Superkondensatoren (Supercaps) ein, die auch in der Elektromobilität in Zukunft eine Rolle spielen könnten.


Aktuell wird jedoch in Microgrids hauptsächlich auf Batterietechnologie gesetzt. Und das ist gar nicht so neu, wie es den Anschein hat. In Zeiten der Berliner Mauer betrieb die Bewag in Berlin-Steglitz das Inselnetz für Westberlin. Stabilisiert wurde es bis 1994 durch ein Batterie-Speicherkraftwerk mit einer Leistung von 17 MW, die 20 Minuten abgegeben werden konnte. Das Kraftwerk bestand aus 7.080 Bleiakkumulatoren aus U-Boot Technologie. Heute wird auf Lithium Ionen und Natrium Akkumulatoren gesetzt. Das weltweit größte Batterie-Speicherkraftwerk wird derzeit in Südaustralien an der Hornsdale Wind Farm betrieben. Auf Lithium-Ionen-Basis stehen 100 MW mit 129 MWh zur Verfügung. Errichtet wurde es von Tesla Inc. 2017 in nur zehn Monaten Bauzeit. Auch Indien setzt bei der Umstrukturierung seines Energienetzes hin zu regenerativer Energie auf Batteriekraftwerke, um das Netz zu stabilisieren. Ein 10 MW Batteriespeicher wurde 2019 in einem Vorort von Neu-Delhi errichtet.


Eine umweltfreundliche Alternative zu Lithium-Ionen-Akkus tut sich mit Natrium-Ionen-Akkus, mit wässrigem Elektrolyt, auf. Natrium ist preiswert und unbeschränkt verfügbar und 100% CO2 neutral in Meerwassersalinen zu gewinnen. Wenn die Größe und das Gewicht des Batteriespeichers keine Rolle spielen, könnte diese Technologie zu einer echten Alternative werden. Auch die Wärmespeicherung in hoch konzentrierten Natriumlösungen, wie im Forschungszentrum Plataforma Solar de Almería in Andalusien im Testbetrieb realisiert, ist eine interessante Form der Energiespeicherung. Auch Wasserstoff stellt, durch seine hohe Energiedichte, einen attraktiven Energiespeicher für die Zukunft dar.

Netzqualität – Microgrids als neuer Player.

Je weiter die Energiewende voranschreitet, desto bedeutender werden im gesamten Netz Microgrids für die Netzqualität. Je höher der Anteil an Strom aus regenerativen Energiequellen wird, desto anspruchsvoller wird die Primär- wie auch Sekundärregelung des Stromnetzes. Derzeit ist die Netzqualität in Mitteleuropa die höchste weltweit. Damit das so bleibt, bedarf es einer neuen Art Netze zu managen. Die Themen sind Smartgrids, Microgrids und virtuelle Kraftwerke. Das gesamte Umfeld stellt sich nicht nur als intellektuelle, sondern auch ganz handfeste technische Herausforderung dar: Existierende Verbundnetze wurden nicht für bidirektionalen Betrieb konzipiert. Bei der Planung und Errichtung hatten „Prosumer“ noch nicht die Bühne als Akteure betreten.


Der Lösungsansatz heißt Dezentralisierung. Lokaler Eigenverbrauch soll durch Microgrids forciert werden. Die Sekundärregelung soll in größtmöglichem Umfang in den Microgrids erfolgen, damit möglichst wenig Regelbedarf in das gesamte Netz „überspringt“. Da Microgrids massiv auf Wind- und Solarenergie setzen, ist dies nur möglich, indem Batteriekraftwerke o.ä. vorgehalten werden. Die so aufgebaute Regelleistung kann, durch Zusammenschluss einer kritischen Menge an Microgrids, zu virtuellen Kraftwerken kombiniert werden. Virtuelle Kraftwerke können die Qualität des gesamten VNB massiv beeinflussen, was sich wiederum direkt in den Netzkosten niederschlagen würde. Alleine durch das Anfahren von Kraftwerken, die aktuell nur zur Stabilisierung des deutschen Stromnetzes benötigt werden, entstehen p.a. Kosten im dreistelligen Millionenbereich. Die Bereitstellung von Regelleistung durch virtuelle Kraftwerke, kann zu einer massiven Netzkosten Optimierung beitragen.


Dass der Betrieb von Microgrids in einem Smartgrid zu einer Big Data Herausforderung wird, ist offensichtlich. Sobald Microgrids als Stromlieferant wie -verbraucher in Verbundnetzen in Erscheinung treten, müssen sie Teil eines Bilanzkreismanagements werden, mit all den daran anknüpfenden Thematiken. Die Steuerungsmechanismen sind eine massive Herausforderung. Aus diesem Grund forscht E.ON an selbstregelnden Smartgrids mit AI Technologie. Wie komplex die Thematik im Einzelnen wird, zeigt ein Beispiel: War es bisher ausreichend, Stromstärke und Spannung nur am Anfang einer Leitung, typischer Weise im Umspannwerk, zu messen, sind diese Werte in bidirektionalen Smartgrids nicht mehr ausreichend. Digitale Trafos müssen zum Einsatz kommen, mit denen die Netzqualität über die gesamte Trasse gemessen werden kann.

Microgrids – Forschung am lebenden Objekt.

Eine Kernidee von Microgrids, die u.a. auf Basis von Prosumern konzipiert sind, ist der erzeugungsnahe Verbrauch. Dazu bedarf es eines Systems, das ein handelbares Angebot in einem System abbildet, sowie Erzeuger und Verbraucher zusammenbringt. Vier Ebenen sind hier zu betrachten:
 

 

  1. Markt-Ebene – Virtuelles Kraftwerk
  2. P2P-Ebene – Prosumer
  3. Asset-Ebene – Windräder, Photovoltaik, Batteriekraftwerk etc.
  4. Netz-Ebene – PCP und Verbundnetze


Auf P2P Ebene handeln Prosumer untereinander. Es wird beispielsweise das E-Auto des Nachbarn, der gerade auf Urlaub ist, gemietet, um selbsterzeugten überschüssigen Solarstrom zwischen zu speichern. Bereits diese einfache Transaktion benötigt einen Kontrakt, eine Preisfeststellung und Verrechnungskonten. Das ist die Mikroebene des Systems. Auf der Makroebene handelt das virtuelle Kraftwerk über das Verbundnetz Regelleistung, stellt bereit oder kauft zu. Auch das Nutzungsentgelt für das Verbundnetz wird in Zukunft ein Thema werden, das prinzipiell jeder Teilnehmer entrichten muss. Das alles ist eine sehr vereinfachte Sichtweise, die sich in der Realität deutlich komplexer darstellt. Standardisierte Lösungen gibt es dafür noch nicht.


Im Projekt PEPPLES (Peer-to-Peer Energiehandel auf Basis von Blockchains), forscht ein Team der Hochschule Kempten, Frauenhofer, Siemens und AllgäuNetz, zum Thema Strukturaufbau des dezentralen Stromhandels. Das Projekt widmet sich der vollen Breite des Problems von Marktmechanismen, Netzoptimierung bis hin zur Smart Contract Bibliothek. Der sehr technischen Seite des Themas widmet sich beispielsweise Microgrids at Berkeley Lab, ein Projekt des U.S. Department of Energy oder das Projekt InterFLEX in Europa.


Dass Microgrids der Zukunft nicht nur reine Forschungsprojekte sind, sondern auch bereits gelebte Energiewende sind, verdeutlichen diese Beispiele:
 

 

  • Wildpoldsried – Das Energiedorf
  • EUREF Campus Berlin
  • BROOKLYN MICROGRID

Microgrids – zentraler Baustein der Energiewende.

Microgrids werden in naher Zukunft integraler Baustein der Energiewende sein. Sie haben das Potential nicht nur wesentlich zur Netzqualität beizutragen, sondern auch die benötigten Anstrengungen beim Netz Um- und Ausbau auf ein praktikables Maß zu drücken. Der Bereich Stromhandel, Netzoptimierung etc. wird in einer völlig neuen Dimension gedacht werden müssen. Big Data wird das Thema sein. Eine dezentral gehaltene Datenflut, die geteilt und schneller denn je verarbeitet werden muss, um Smartgrids mit Leben zu erfüllen.


Besonders darf auch die Datensicherheit nicht aus den Augen verloren werden, denn je smarter ein Netz ist, desto gefährdeter ist es auch. Dass alles das ohne AI nicht mehr zu bewerkstelligen sein wird, steht auf technischer Ebene außer Frage. Wieviel Intelligenz der Mensch in Bezug auf essentielle Infrastruktur bereit ist an Maschinen abzugeben, ist eine andere Frage. „Mark my words – A.I. is far more dangerous than nukes.“ meint Elon Musk zu dem Thema recht treffend.